284
Die christliche Kirche des Abendlandes.
gegründete Sängerschule, die Entwertung ergreifender Liturgien, die ganze
Einrichtung, welche er dem Gottesdienst in Rom gab, wirkte er dahin, daß
Rom, ohnehin als Petri Grabstätte verehrt, in den Augen der Abendländer
wunderbar herlrch erschien, daß sie dort dem Himmel näher zu sein vermeinten.
Wenn er im Dogma die Lehre vom Fegfeuer und dem Meßopfer einführte,
auch die Verehrung der Heiligen und Reliquien förderte, so wird man ihm
dieaccommodation an das Bedürfnis derer, welche einen sinnlichen Gegenstand
der Verehrung nicht missen konnten, um so leichter verzeihn, da er immer den
Glauben als die Bedingung alles christlichen Thuns voranstellte. Auch wird
inanden Vorwurf blinden Eifers gegen die heidnische Litteratur, dem sogar
der Untergang mehrerer Meisterwerke des Altertums zugeschrieben wird,
mildern, wenn man bedenkt, wir vielfach in feiner Zeit noch zum heidnischen
Aberglauben zurückgegriffen, bei wie vielen die Lust zur weltlichen Wissen-
schaft ein Hemmnis des Glaubens war.
2. Bedeutende Förderung ward dem Papsttum durch die Ohnmacht des
byzantinischen Kaisertums. Als der reichste und angesehenste Mann Roms
mußte sein Inhaber oft den weltlichen Schutz übernehmen und die Bevölkerung
zog sein Regiment bald dem der kaiserlichen Beamten vor, besonders seit
Constantinus' Anwesenheit in Italien nicht allein die Vergeblichkeit der An-
strengungen dargethan, sondern auch die Raubsucht verhaßt gemacht hatte
(§ 74, 3). Zwar wirkte der Einfluß oder die Intrigue so mächtig^), daß sieben
Päpste hintereinander griechischer oder syrischer Abkunst waren, doch 715 kam
wieder ein ächter Römer Gregor Ii (—731) auf den Stuhl. Er und sein
Nachfolger Gregor Iii (731—741), mit gleicher Klugheit und Gewandtheit
ausgerüstet wie Gregor der Große-), ergriffen den Bilderstreit als eine
Gelegenheit Nom von Byzanz völlig unabhängig zu machen und traten mit
gleicher Entschiedenheit den longobardischen Eroberungsgelüsten entgegen
(§ 74, 5). Der letztere wandte zuerst sich zum Verein mit der fränkischen
Macht. Welche Erfolge Zacharias (741—752) und Stephanus Ii
(752—757) auf diesem Weg errangen, ist § 73, 12 und § 75 erzählt; wie die
Misstonsthätigkeit nicht allein dem Papsttum eine gehorsame Kirche erwarb,
sondern von ihr aus auch die Kirche des Frankenreichs in gleiche Verbindung
gesetzt ward, ist bald zu berichten.
3. Einen heilsamen Gegensatz gegen die schon öfters berührte Verwelt-
lichung der Geistlichkeit bildete das Klosterleben. Aber daß es sich in den
Stürmen der Zeit erhielt und wolthätigen Einfluß übte, verdankt die Welt der
Regelung, welche demselben schon vor dem Beginn der Periode zu Teil geworden.
B ened ietus, zu Nursia in Umbrien 480 geboren (st 543), zog sich von litte-
rarischen Beschäftigungen, durch das allgemeine Sittenverderben geärgert, ins
Einsiedlerleben zurück und gründete, nachdem sich zahlreiche Jünger zu ihm
gesunden, bei Subiacod mehrere Klöster; dann aber, da ihn Streitigkeiten mit
andern Geistlichen nicht ruhn ließen, begab er sich nach Campanien und
gründete 529 auf dem Berge, wo die Ruinen des castrum Cassinum standen,
das Kloster Monte Cassino, wobei er für die Glieder desselben eine Regel
gab. Nur nach einem Jahr der Prüfung (Noviziat) konnte ein Mann in
dasselbe eintreten, gelobte aber dann eidlich bis an sein Ende darin ans- 1
1) Der Kaiser Justinianus Ii wollte 687 den Papst Sergius, weil er stand-
haft die Ketzerei von Byzanz strafte, nach Constantinopcl abfnhren lassen, das Volk
aber widersetzte sich. Paul. Diae. Vi 12. — 2) B aur: die christliche „Kirche des
Mittelalters S. 74 Anm. 1. — 3) Sublacinm am Anso in denn alten Äquerlandc.
Seiner Stiftung, des monasterium Sublacense, wird oft gedacht.
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Extrahierte Personennamen: Petri_Grabstätte Gregor_Ii Gregor Gregor_Iii Gregor Gregor Zacharias Nursia Sergius Constantinopcl
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Roms Italien Byzanz Umbrien Byzanz
356
(Safar in Gallien.
hartnäckiger betrieb dieser die Belagerung und wenn auch die Belagerten alle
Mittel der Verteidigung erschöpften, die römische Kunst rückte doch ihrem Ziele
naher. Der Plan des Vercingetorir die Einwohner aus der Stadt zu führen,
scheiterte an deren Weichherzigkeit. Endlich ward sie erstürmt. Das römische
Schwert nahm furchtbar Rache für den Mord zu Cenabum und die Soldaten
erquickten sich an den reichen Vorräten 1). Vercingetorir wüste eben so sich im
Vertraun der Seinen zu befestigen, wie die Verluste rasch zu ersetzen, indem
er die noch dem Bunde fremd gebliebnen Volksgemeinden zum Beitritt auffor-
derte (die Nitiobrigen, am Nordufer der Garonne zu beiden Seiten des Fl.
Oltis [£ot], schlossen sich ihm an) und die übrigen zur Verstärkung des Heers
antrieb^). Auf Nachsuchen der römischen Partei begab sich Cäsar persönlich
zu den Häduern und es gelang ihm auf einer Versammlung den einen der er-
wählten Jahresmagistrate, Cotus, abzusetzen und das Versprechen kräftigerer
Unterstützung zu erlangen^). Darauf sandte er T. Labienus mit 4legionen
gegen die Senonen und Parister, er selbst rückte, von Vercingetorir auf dem
andern Ufer begleitet, mit den übrigen sechs am Elaver (Allier) aufwärts in
das Land der Ärverner selbst. Es gelang ihm der Übergang über den Fluß
und die wenn auch nicht völlige Einschließung der Stadt Gergovia (Ger-
goie, südlich von Clermont, dem alten Nemetum)^), allein wieder lagerte
Vercingetorir in naher unangreifbarer Stellung und beunruhigte fortwärend die
Römer, ohne sich in eine Schlacht einzulaßen. Die wirksame Kriegsführung
des Oberanführers der Gallier verschaffte dessen dringenden Vorstellungen bei
den Häduern Eingang. Cäsar erhielt plötzlich die Nachricht, daß die ihm zu-
gesandten Reiter von ihrem Befehlshaber (Litavicus) beredet worden seien sich
den Feinden anzuschließen. Eiligst brach er mit 4 Legionen aus dem Lager
auf und es gelang ihm jene Truppen mit sich zu vereinen, worauf auch das
Volk, welches daheim die Römer zu ermorden begonnen hatte, bittende Ge-
sandte schickte. Seine Abwesenheit hatte Vercingetorir zu einem Angriff auf
die zurückgelaßnen zwei Legionen benützt und nur die schnelle Rückkehr des
Hauptheers rettete sie vom Untergang. Cäsar erkannte die Notwendigkeit die
Belagerung aufzugeben und sein ganzes Heer zu vereinigen, damit er in einem
Hauptschlag den Aufstand niedertreten könne. Der Angriff, den er auf das
feindliche Lager und die Stadt — jedesfalls um seine Absicht zu verdecken —
machte, endete mit empfindlichem Verlust und ließ ihn als besiegt erscheinen.
Er brach nach dem Norden auf5). Unterwegs eilte der Häduer Litavicus mit
seinen Reitern voraus, um sein Volk zum Aufstand zu bringen. Es erhob
sich und bemächtigte sich in Noviodunum6) der römischen Vorräte. Cäsar eilte
über den Liger dem Labieitus zup. Dieser hatte, nachdem er in Agedincum
die aus Italien eingetroffnen neuen Mannschaften zurückgelaßen, mit vier Le-
gionen sich aufgemacht gegen Lutetia, die Hauptstadt der Parister. Ein
starkes feindlichesheer unter dem Aulercer Ca mulogenus hinderte ihn am
Übergang über die Seguana (Seine). Er bewerkstelligte diesen indes oberhalb
bei Melodunum, das er einnahm, fand nun aber auf dem rechten Ufer vor- * Iii
1) b. g. Vii 12 --28. Momms. Iii 265 f. — 2) b. g. Vii 29 — 31. — 3) b. g.
Vii 32 — 34 I. — 4) Momms. Iii 267 Anm. — 5) b. g. Vii 34, 2—53. Momms.
Iii 267 — 269. — 6) Da dies ausdrücklich eine Stadt der Häduer genannt wird
(b. g. Vii 55, 1) und wenn sie nach dein Abfall der Biturigen den Häduern über-
geben worden wäre, dies Cäsar jedesfalls erwähnt habet! wurde, so kann ich nur
mit Momms. Iii 269 an das auf dem Ostufer des Liger gelegene Noviodunum denken,
um so mehr als im 55. Kapitel dann erwähnt wird, daß die Häduer durch den an-
geschwollneit Liger sich gedeckt glaubten. — 7) Vii 54 — 56.
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7
sich mit Venedig und dem Papst und führte 1500 Ludovico Moro
gefangen nach Frankreich. Mit Spanien verbündet, eroberte er
darauf Neapel von neuem. Da er jedoch mit dem Bundesge-
noßen zerfiel, so verdrängte dessen .Heer das französische aus
dem Lande 1503 und behielt dasselbe in Besitz. Dagegen er-
hielt Ludwig Xii von Kaiser Maximilian 1504 durch den Ver-
trag zublois die Belehnung mit Mailand.
4) Weil Ludwig Xii auch Genua angriff, beabsichtigte ihn
1507 Maximilian, aufgefordert von P. Julius Ii (seit 1506), zu
bekriegen, ward aber von den Venetianern am Durchzug gehin-
dert, welche er nun ohne Erfolg zu bezwingen suchte.
5) Alles wandte sich jetzt gegen Venedig. 1508 schloßen
mit Maximilian Ludwig Xii, der Papst und Ferdinand der Katho-
lische die Ligue zu Cambrai zur Vernichtung der mächtigen
Republik, welche zwar in große Bedrängnis geriet, aber Rettung
fand, als 1509 Ferdinand der Katholische und der Papst, um
Frankreich und Deutschland nicht zu mächtig werden zu laßen,
die heilige Ligue gegen jene eingi engen, der sich Heinrich Viii
von England und die Schweizer beigesellten. Obgleich die Fran-
zosen 1512 bei Ravenna siegten (Gaston de Foix f) , verloren sie
doch durch die Schweizer Mailand, Avelches an Maximilian Sforza
gegeben ward. Auch der Kaiser Maximilian gesellte sich jetzt
den Gegnern Frankreichs bei und drang, wärend die Franzosen
in Italien hei Novara geschlagen wurden, 1513 nach dem Siege
bei Guinegate in den Norden jenes Landes ein. Allein in dem-
selben Jahre f Julius Ii und sein Nachfolger Leo X schloß, um
seinem Hause (Medici) Florenz zu erhalten, mit Frankreich Frie-
den und vermittelte denselben auch für Venedig; ihm folgte
Ferdinand der Katholische, der Neapel und Navarra jenseit der
Pyrenäen erhielt, dann Heinrich Viii, und so muste auch Maxi-
milian 1514 Frieden machen.
6) Franzi v. Frankreich (seit 1515) verband sich mit Genua
und Venedig zu Mailands Wiedereroberung. Dagegen einten sich
der Kaiser, der Papst, Ferdinand der Katholische und die
Schweizer mit Maximilian Sforza. Der von jenem bei Mari-
gnano 1516 erfochtne, den Ruf der Unbesiegbarkeit den Schwei-
zern entreißende Sieg bewirkte, daß Maximilian Sforza Mailand
abtrat. Die Schweizer schloßen mit Franz den ewigen Frie-
den und nach dem Abfall der übrigen Verbündeten trat auch
Kaiser Maximilian dem von Karl von Spanien geschloßnen
Frieden zu Noyon bei, indem er die Belehnung mit Mailand
versprach.
B. Die einzelnen Staaten.
§6. l) Deutschland. Maximilian I (1493—1519), ,der
letzte Ritter der erste, welcher sich , erwählter Kaiser ‘ nannte,
ward in seinen kühnen Plänen durch den Zustand des Reichs ge-
hemmt, dem abzuhelfen er sich eifrigst, aber mit geringem Er-
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Extrahierte Personennamen: Ludovico_Moro Ludwig_Xii_von_Kaiser_Maximilian Ludwig Maximilian Ludwig_Xii Ludwig Maximilian Maximilian P._Julius_Ii Maximilian_Ludwig_Xii Maximilian Ludwig Ferdinand Ferdinand Heinrich_Viii
von_England Heinrich Maximilian_Sforza Maximilian Maximilian Maximilian Julius_Ii Leo_X Leo Ferdinand_der_Katholische Ferdinand Heinrich_Viii Heinrich Franzi_v Ferdinand Maximilian_Sforza Maximilian Maximilian_Sforza Maximilian Franz Franz Maximilian Maximilian Karl_von_Spanien Karl Maximilian_I Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Mailand Genua Venedig Cambrai Frankreich Deutschland Ravenna Mailand Frankreichs Italien Frankreich Neapel Navarra Frankreich Genua Mailands Mari- Mailand Mailand Deutschland
119
3) Auf eigne Hand unternahm der preußische Major Schill
den Kampf gegen die Franzosen, erlag aber in Lübeck.
4) Herzog Wilhelm von Braunschweig-Oels fiel mit
einer Freischaar (die Schwarzen) in Sachsen ein und schlug sich,
nach dem Waffenstillstand vom Rückzug nach Böhmen abge-
schnitten, bis zur Weser durch, von wo er zur See nach England
entkam.
Soriefoesterreichs wenn auch unglücklicher, doch mann-
hafter Kampf den deutschen Volksgeist wieder auf.
Weitere Gewaltschritte Napoleons. Schwedens Revolution.
§ 165. l) Weil Pius Vii Napoleons Wünschen widerstand,
ward er 1809 nach Frankreich gebracht, und als jener fortfuhr
sich der Forderungen des Kaisers zu weigern, der Kirchenstaat
als Departement Rom 1810 mit Frankreich vereinigt. 2) Der
Staat des Fürsten Primas (Kurerzkanzler) wurde 1810 in einen
weltlichen (Großherzogtum Frankfurt a. M.) verwandelt. 3) Hol-
1 and, das K. Ludwig, von N. heftig getadelt (engl. Expedition
nach Walchern 1809) und in seiner Regierung beschränkt, ver-
laßen hatte , ward mit Frankreich vereinigt und demselben endlich
auch (13. Dec. 1810) alles Land vom Einfluß der Lippe in den Rhein
bis zur Trave zugeteilt.
Gustav Iv von Schweden (l792 —1809, § 107) verharrte
auch nach dem Tilsiter Frieden im Krieg mit Frankreich, ward
nun aber auch von Rußland und Dänemark angegriffen. Die ver-
kehrten Maßregeln der Regierung veranlaßten eine Empörung
des Heers, der die Absetzung des Königs (10. Mai 1809) folgte.
Der Herzog von Südermannland Karl Xiii wurde König, Chri-
stian Augustus von Holstein-Augustenburg Kronprinz.
In den Friedensschlüßen ward Finnland an Rußland abgetreten.
Nachdem der Kronprinz (28. Mai 1810) plötzlich gestorben war,
wählte man an seine Stelle den französischen Marschall
Bernadotte, welcher zur lutherischen Kirche übertrat und die
Namen Karl Johann annahm, aber keineswegs das Wol des
Landes dem Willen seines bisherigen Gebieters opferte.
Der Feldzug gegen Rußland.
§ 166. Der Krieg, welchen Napoleon um die letzte noch
unabhängige europäische Landmacht zu vernichten unternahm,
ward die erste Veranlaßung zu seinem Sturz. Ursachen waren
für Rußland: die Verweigerung von Garantien wegen der Nicht-
wiederherstellung Polens und die Beraubung des Herzogs von
Oldenburg, dessen Land in dom Frankreich einverleibten Gebiet
(§ 165, 3) inbegriffen war. Durch Englands Vermittlung schloß
die Pforte (16. Mai 1812) mit Rußland zu Bukarest Frieden, und
Schweden ward durch Napoleons Forderungen wegen der Conti-
nentalsperreund diebesetzung vonschwedisch-Pommern zu einem
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Bernadotte Karl_Johann Karl Johann Napoleon Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen England Napoleons Schwedens Napoleons Frankreich Rom Frankreich Frankfurt_a._M. Frankreich Rhein Frankreich Finnland Oldenburg Frankreich Englands Bukarest Schweden Napoleons
180 Der zweite Perserkrieg.
schluß einem solchen Heer Widerstand zu leisten ist wahrhaft Heroismus und
verschafft den Griechen einen unverwelklichen Ruhmeskranz.
2. Als die Kunde, daß das ungeheure persische Heer Sardes erreicht habe,
nach Griechenland gekommen war, verbanden sich hauptfächlich durch Themistokles'
eifrige Bemühungen die zum Widerstand entschloßnen Völkerschaften anf das
festeste und thateu alle Zwietracht zwischen sich ab*). Hochherzig verzichteten
die Athener auf den Oberbefehl zur See um der Eintracht willen-). Die nach
Sardes geschickten drei Kundschafter wurden ergriffen, aber von Serres ent-
laßen3): ihre Schilderungen sollten von jedem Widerstand zurückschrecken. Die zur
Waffengenoßenfchaft aufgeforderten Arg ei er lehnten, sich hinter die Forderung
des Oberbefehls versteckend, das Gesuch ab^). Aus gleichem Grund, weil ihm
die Anführung weder zu Land noch zur See zugestanden ward, wies der mäch-
tige Tyrann G elon von Syrakus die Bitte um Hülfe zurück, wobei indes wol
der gleichzeitige Angriff der Karthager auf Sieilien wesentlichen Anteil hatte 5).
Die Kerkyräer versprachen zwar Beistand, warteten aber mit ihrer Flotte an
der Südküste der Peloponnesos den Ausgang ab ^), die Kreter endlich enthielten
sich sogar in Folge eines von Delphoi erhaltnen Orakels der Teilnahme ^). Die
Th ef faler waren aus Haß gegen die Alenaden entfchloßen dem Perserheer den
Eintritt in ihr Land zu versperren, baten aber um eiu Hülfsheer, und gegen
10000 Hopliten unter dem Spartaner Euänetos und dem Athener Themistokles
wurden zur See nach Tempe gesandt. Als jedoch der König der Makedonen
Alerandros sie wegen der bereits von den Persern besetzten obern Straße gewarnt
hatte, zogen diese zurück, und die Theffaler wurden nun Bnndesgenoßen des
Perserkönigs ").
3. Aus dein Jsthmos ward befchloßen den Engpaß von Thermopylä zu
besetzen und mit der Flotte Enböa's Nordufer zu bewachen^). Man hat sicher-
lich weniger stolze Siegesgewisheit, als den Ernst keine religiöse Pflicht zu ver-
säumen darin zu sehn, daß, wo der gewaltigste Feind den Grenzen nahte, den-
noch die olympischen Spiele gefeiert wurden^). An den Thermopylen standen
5500 Hopliten unter des Spartanerkönigs Leonidas Befehl"). Wol wnn-
derte sich Serres, als sein Kundschafter die Krieger mit gymnastischen Übungen
und Schmückung des Hauptes zum Kampf beschäftigt gefunden hatte: als sie,
Wärend er vier Tage wartete, nicht mit den Zeichen der Unterwerfung ihm ent-
gegenkamen, wich die Verwunderung dem Zorn und die Kifsier und Meder
wurden zum Kampf gesandt, aber ebenso wie dann selbst die Unsterblichen
(8 36, 2) zurückgeschlagen^). Schon verzweifelte der stolze König den Eintritt
in Griechenland zu erzwingen, da erbot sich der Malier Ephialtes um schmäh-
lichen Verräterlohn eine Schaar über den Gebirgsrücken (Anopaia), welchen
die Phoker bewachten, zur Umgehung der feindlichen Stellung zu führen. Die
Phoker, überrascht, zogen sich zum Kampfe sammelnd zurück, aber die Perser
eilteu an ihnen vorüber, in den Rücken der Besatzung von Thermopylä. Jetzt,
die Unmöglichkeit den Posten zu halten einsehend, entließ Leonidas die übrigen
Griechen mit Ausnahme der Thebäer, durch deren Untergang der medisch-gesinnte
Staat Schaden erleiden sollte: freiwillig harrten die Thespier aus, da sie doch
einmal ihr Vaterland verloren glaubten und lieber ehrenvoll sterben als den
Untergang ihrer Heimat mit ansehen wollten. So teilten sie das Loos der
Spartaner, die, ihre Pflicht dahin auslegend lieber fechtend umzukommen als
1) herodot Vii 145 f. — 2) Herodot Viii 3. — 3) Herodot Vii 146 f. —
4) Herod. Vii 148 — 152. — 5) Herod. Vii 157 — 167. — 6) Herod. Vii 168. —
7) Herod. Vii 169 f. — 8) Herod. Vii 172 n. 173. — 9) Herod. Vii 175 — 177.
— 10) Herod. Vii 206 — 11) Herod. Vii 202. — 12) ^erod. Vii 210 — 212.
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Extrahierte Personennamen: Euänetos Ernst Leonidas_Befehl" Leonidas Herodot Herodot
210 Der peloponnesische Krieg.
Benützung der Örtlichkeit und Tapferkeit in allen Treffen — Lamachos siel —
förderte die unternommene Belagerung von Syrakus fo weit, daß die
Stadt hoffnungslos der Notwendigkeit sich zu ergeben entgegen sah und bereits
Unterhandlungen cmstcug1). Allein mit der Ankunft des Spartiaten Gylippos,
welcher zu seinen aus der Heimat mitgegebnen 700 M. ein Heer aus den sici-
tischen Städten gesammelt hatte, wandte sich das Glück dergestalt, daß Nikias
in Athen um Abberufung oder Unterstützung bat^). Die 10 Schiffe, welche
fofort Eurymedon herbeiführte^), vermochten nicht zu verhindern, daß die
Feinde die bedeutendsten Fortschritte machten, zumal Gylippos immer größere
Streitkräfte aus Sicilien zu gewinnen wüste und die syrakosische Flotte nach
einem verlornen Treffen siegreich war^). Die Ankunft des Demosthenes mit
73 Triremeu und 5000 Hopliten^) bewirkte zwar kurze Zeit Besorgnisse bei den
Feinden, aber der Angriff auf die Befestigung derselben mislang"). Der Vor-
schlag des Demosthenes nach Athen heimzukehren scheiterte an Nikias' Bedenken,
und Wärend den Syrakosiern neue Verstärkungen zukamen, ward das athenische
Heer durch Krankheiten geschwächt^). Die Ausführung des Beschlnßes sich nach
Naros und Katana znrückznziehn ward durch eine Mondfinsternis, in der Nikias
ein ungünstiges Anzeichen sah, verzögert^) und deu Feinden dadurch Zeit gelaßen
die atheuische Flotte zu besiegen, im Hasen einzusperren und alle Versuche des
Durchbrechens zu vereiteln ^). Wiederum verursachte Nikias Verzögerung des
beschloßenen Aufbruchs nach dem Innern der Insel, und als dieser endlich (mit
noch 40000 Mann) erfolgte, wurde zuerst der vou Demosthenes befehligte Nach-
trab, dann auch die von Nikias geführte Vorhut zur Ergebung gezwungen^).
Die Hinrichtung des Demosthenes und Nikias und die abscheuliche Behaudluug
der athenischen Gesangnen in den berüchtigten Steinbrüchen (Latomien) ") be-
weisen die Entmenschung, welche der unnatürliche Krieg zwischen zwei Bruder-
Völkern herbeigeführt.
8 83.
Dritte Periode 413 — 404 (der dekeleifche ^) Krieg).
1. Die Feindschaft zwischen Athen und Sparta hatte seit dem Frieden des
Nikias uie geruht^). Die Atheuer hatten überall die Absichten der Spartaner
durchkreuzt, ja waren ihnen herausfordernd in den Weg getreten, ohne je der
Aufforderung zu schiedsrichterlicher Entscheidung Folge zu geben. Nachdem sie
gehört, daß Gylippos den Syrakosiern zu Hülfe gesendet worden, beunruhigten
sie plündernd die Küsten von Lakonien 414. Die Spartaner sahen den Frieden
dadurch offen gebrochen und konnten mit dem Gefühle voller Berechtigung vou
neuem die Waffen ergreifen. Schrecklich war die Lage der Athener, als ihnen
der unglückliche Ausgang der sicilischen Expedition kund ward. Wie unersetzlich
war der Verlust an Geld, Schiffen und Maunschaften, welche sie von schmeich-
lerischen, übermütig überspannten Hoffnungen fortgerißeu, aufgeopfert hatten ^).
Aber Scham mnste sie anch ergreifen, wenn sie bedachten, wie sie von nieder-
trächtiger Agitation sich zu empörenden Ungerechtigkeiten hatten verleiten laßen,
wie sie ihren tüchtigsten Feldherrn gemißhandelt und in das feindliche Lager ge-
trieben hatten. In der That waren die Spartaner durch Mittel —• zumal da
1) Vi 96—103. Vii 2. — 2) Vii 3—11. — 3) Vii 16. — 4) Vii 20—41.
— 5) Vii 42. — 6) Vii 43 — 45. — 7) Vii 46 — 50. — 8) Vii 50. Es war jeden-
falls die Mondfinsternis des 27. Aug. — 9) Vii 51 — 71. — 10) Vii 72 — 85. —
11) Vii 86 f. Cnrtius Griech. Gesch. Ii 533-564. — 12) Diod. Xiii 9. — 13) Viii 1.
— 14) V 26.
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Die Frankenreiche bis znr dauernden Trennung 843 — 888.
59
fand es aber 867 in seinem Interesse mit Ludwig dem B. einen Vertrag,
wie sie die Erbschaft der lotharischen Brüder unter sich teilen wollten, zu
schließen!). Gleichwol ließ sich Ludwig der B. wieder für Lothar gewinnen
und versprach ihm keinen Schaden zu thun, wenn er Waldraden ehliche,
wärend Karl d. K. nicht einmal für die Zeit, welche jener in Italien zu-
zubringen gedachte, eine bindende Zusage gab2). Denn eine günstige Wen-
dung schien ihm eingetreten zu sein seit dem Tode des energischen Nieolaus
(Oct. 867), da sein Nachfolger Hadrian Ii Thietgaud, wenn auch nicht
wieder einsetzte, doch zurlaiencommunion zuließ H. Zwar empfiengthietberga,
als sie 868 sich selbst anzuklagen in Rom erschienen war, den Befehl zu Lothar
zurückzukehren, aber Waldrada ward unter der Bedingung sich jeden Ver-
kehrs mit Lothar zu enthalten, vom Bann gelöst und die Oheime erhielten
Abmahnungen von Übergriffen über ihre Grenzen H. So setzte Lothar alles
daran seine Absichten persönlich in Rom zu erreichen und begab sich 869 nach
Italien. Sein Bruder, Kaiser Ludwig Ii, konnte ihm selbst nicht thätigen
Beistand gewären, weil er mit den Saracenen beschäftigt war^), aber seine
hersch- und habsüchtige, dabei jedoch gewandte Gattin Engelberga übernahm
die Aussöhnung mit dem Papst zu bewirken. In Monteeasino gab Lothar
die lügnerische Versicherung, daß er mit Waldrada seit 865 keinen Umgang
gepflogen, und nahm darauf das Abendmal. Auch Günther empfieng es,
nachdem er schriftlich Fügsamkeit unter den römischen Stuhl versprochen. Aus
der Begegnung, die ihm in Rom selbst wurde, hätte der König wol bemerken
können, daß es trotzdem mit seiner Sache nicht gut stehe. Gleichwol machte er
sich voll stolzer Hoffnungen auf den Heimweg. Da starb er (8 Aug. 869)
Piacenza am Fieber, das auch die meisten seiner Begleiter hinwegraffte.
Nur die von ihm so schändlich gemishandelte Thietberga weinte an seiner
Leiche. Das frevelhaft von ihm heraufbeschworne Gottesgericht machte
einem der schmutzigsten, für die geschichtliche Entwicklung aber höchst folgen-
reichen Händel ein Ende^).
5. Bitter büßte Ludwig der B. für sein Verhalten gegen den Vater
durch Empörungen der eignen Söhne, für die Vereinigung mit Karls d. K.
abtrünnigen Großen durch Treulosigkeit der eignen Vassallen. 861 wurden
auf dem Reichstag zu Regensburg viele der letztern, unter ihnen der Mark-
graf Ernst, wegen Untreue ihrer Lehen und Ämter entsetzt"). Ernsts, seines * S.
1) Dünnnl. S. 601. — 2) Dünunl. S. 603 f. u. 673 f. — 3 ) Dümml. S. 664.
— 4) Dümml. S. 665—69. — 5) Die Plünderungen der Saracenen wurden
immer ärger (wärend der Kaiser 856 in Orbe mit seinen Brüdern tagte, war Nea-
pel überrumpelt und zerstört worden. Dümml. S. 380) und damit immer zügel-
loser der Frevelmut der Großen (Dümml. S. 673). 866 bot Ludwig Ii alle Mittel
auf. Zuerst wurde der treulose Bisch. Landnlf von Eapna gestraft und die Fürsten
von Benevent und Salerno znr Leistung der Pflicht gezwungen. Das Heer erlitt
zwar 867 durch den Sultan von Bari eine Niederlage, doch gelang es mit Ausnahme
dieses Platzes und Tarents den Muhammedanern alle Städte jit entreißen und auch
Bari von der Landscitc einznschließen. llm die See zu sperren wurden Unterhand-
lungen mit Constantinopel eröffnet und eine Flotte von 400 Segeln unter den:
Patricius Niketas erschien, um die dem jungen Kaiser Konstantinos verheißne Braut,
Ludwigs Ii Tochter, abzuholeu und vorher zur Eroberung des Raubnestes mit zu
wirken (Dümnil. S. 675 f.). Mit Nicolaus war L. bis zuletzt verfeindet geblieben
(Dümml. S. 630). — 6) Dümml. S. 677 — 83. — 7) Mit Recht vermutet Dümml.
S. 465, daß die Sache mit dem Zuge nach dem wcstfränkischen Reiche in Zusammen-
hang gestanden habe. Diejenigen, welche sich dein Urteil fügten, wie Ernst, mögen
wol zu jenem geraten haben. Die Grafen Uto und Berengar aber, welche sich in
Karls des K. Reich begaben und von diesem Güter empfiengen, hatten vielleicht
größere Schuld, ein geheimes Einvernehmen mit jenem.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_dem_B. Ludwig Ludwig_der_B. Ludwig Lothar Karl_d Karl Hadrian_Ii_Thietgaud Lothar Lothar Lothar Ludwig_Ii Ludwig Engelberga Lothar Waldrada Günther Thietberga Ludwig_der_B. Ludwig Karls Ernst Ernsts Ernsts Ludwig_Ii Ludwig Landnlf_von_Eapna Niketas Konstantinos Ludwigs Nicolaus_war_L. Ernst Karls
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Rom Italien Monteeasino Rom Piacenza Karls Salerno Bari Bari Constantinopel Ludwigs Karls
Kulturgeschichtliches.
367
gegen Vergewaltigung vorhanden wäre. Die richtige Erkenntnis davon leitete
die eifrigsten geistlichen Vertreter und Beförderer der inneren Reformen *),
so wie die mit dem Christentum und der in ihm begründeten Sittlichkeit am
ernstesten es meinenden Könige und Kaiser, dem Papsttum die äußeren und
inneren Bedingungen zu schaffen, durch welche es die Einheit der Kirche
gründen und eine mächtige kirchliche Wirksamkeit entfalten konnte. Freilich
führte dann die Frage, welche im Verhältnis zwischen Papsttum und Kaiser-
tum ungelöst geblieben war, zu jenem Kampf, aus welchem die Hierarchie
als Resultat hervorgieng. Die Verhältnisse, welche zu diesem Sieg verhalfen,
waren die verschiedenartigsten — auch die schlechten Gelüste und Treulosigkeit
der weltlichen Großen, die Empörung der Niedern gegen die drückende Her-
schaft, endlich die Eifersucht der Romanen gegen die Deutschen wurden in
Bewegurg gesetzt — vor allem jedoch ist festzuhalten, wie er dadurch allein
möglich ward, daß das Papsttum des in den Herzen lebendigen kirchlichen
Zugs sich zu bemeistern verstand, und wie derselbe endlich vollständig ward, als
von ihm der allgemeinen Kampfeslust der den Augen der dainaligeu Christen-
heit als höchster und verdienstlichster vorschwebende Zweck gewiesen worden
war. Die historische Größe Gregors Vii ist § 109, 2 dargestellt, aber auch
die erschreckende Seite seines Wesens und Wirkens nicht übergangen worden.
An die Stelle Christi wird ein Priester gesetzt, der, wenn er auch das Bewust-
sein der mit seinem Recht unzertrennbar ihm zugefalluen Pflicht sesthält und
durch die Überlieferung und Verfaßung in der Kirche gebunden ist, doch immer
Mensch bleibt und der ihm zugeschriebnen Unfehlbarkeit ermangelt, und der
Klerus wird so über alle andern Gläubigen erhoben^), daß, mochten auch die
idealistischsten Forderungen als Bedingungen seiner Erhöhung mit Nachdruck
geltend gemacht werden, doch der Hochmut an die Stelle der Demut gesetzt
erscheint, wäreud das Cölibat ganz offenkundige Gefahren nicht abzuwehren
im Stande ist. Unverkennbar ist, daß durch den Kampf für die Hierarchie
eine sittliche Beßerung und eine Erhebung der Gemüter zu dem Ewigen
bewirkt worden ift1 * 3), aber die in den Reformen nachgewiesnen Jrtümer
werden durch den Sieg und das fortgesetzte Streben nach seiner Behauptung
consequent befestigt. So wenig die folgerichtige Forderung, daß die Unab-
hängigkeit des Klerus vom weltlichen Regiment durch die Verzichtleistung auf
die von jenem erhaltne Ausstattung mit Verleihungen weltlichen Gutes zur
Zweifellosigkeit gebracht werden mäßeh, bewilligt werden konnte, so gewis
war die Gefahr der Verweltlichung von Haupt und Gliedern nicht abgewehrt,
vielmehr durch die Notwendigkeit des Verbleibeils in weltlichen Verhältnissen
und Verpflichtungen verstärkt, ja selbst die Oberherschaft der Kirche über alles
weltliche beruhte, wenn sie auch eine notwendige und heilsame und deshalb
von Gott zugelaßne Entwicklungsform war und nur erst von einzelnen
Stimmen bestritten ward3), dennoch auf einer Verkennung ihres wahren
Berufs, aus einer Verwechslung der ringenden irdischen mit der vollendeten
himmlischen Kirche. War schon vorher die Bekehrung des Volks aus bcu
Verpflichtungen des geistlichen Standes mehr und mehr gestrichen, so ward
von nun allmählich der Laie von eigner Erbauung und vom Lesen der Heiligen
Schrift grundsätzlich ausgeschloßen und der dafür angeführte Grund, daß Mis-
achtung und Misbrauch verhütet werden müße, bedeutete nichts anderes als
1) C.luguy wäre nicht geblieben, wenn cs sich nicht au das Papsttum ange-
schloßen hätte. — 2) Die Behauptung Urbans Ii § 110, 7 a. E. S. 263. —
3) S. 223 Anm. 6. — 4) 8 1u, 3 S. 276. — 5) Vgl. S. 265 Anm. 5. S. 237
Anm. 3. S. 239 Anm. 3.
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Gregor Vh 1073 — 85.
229
Gefangenschaft gehalten wurde, wären jene gern der Notwendigkeit der Ent-
scheidung ihrer Sache beim deutschen Königtum überhoben gewesen, musten
sich aber fügen, als jener durch eine Geldsumme seine Freiheit wieder gewonnen
hatte. Nachdem Alexander Ii aus dem Concil durch Eid sich vom Vorwurf
der Simonie gereinigt, auch daß eine dem Kaisertum feindselige Absicht der
Herbeirufnng der Normannen nicht zu Grund gelegen habe versichert hatte,
ward er als Papst anerkannt, Cadalus entsetzt und der Tumult, den das
Volk gegen den Beschluß erhob, durch Ueberredung, aber auch mit Gewalt
beschwichtigth. Hildebrand fand bei Anno nicht die Entschiedenheit, welche er
von jedem Geistlichen verlangte-), und in Deutschland hatte dessen Verfahren
dem Vorwurf der Herschsucht solche Nahrung geboten, daß die seinen Einfluß
völlig beseitigende Wehrhaftmachung des jungen Königs um so leichter
Zustimmung fand. Was schon längst hätte geschehen sollen h, der Römerzug,
wurde beschloßen, er unterblieb aber, weil Adalbert fürchtete, Anno's und
Gottfrids Einfluß werde dadurch steigen, und so Hildebrands Wünschen ent-
gegenkam H. Nicht ohne Gefahr war für die Kirchenpartei, daß der Cardinal
Hugo der Weiße und die Erzbischöfe Guido von Mailand und Heinrich von
Ravenna sich an Cadalus anschloßen, allein Ariald, nach Landulfs Tod
der Pataria Führer, regte nun mit dem Vorwurf des Meineids, den er dein
Erzbischof wegen seiner Zustimmung zu den Beschlüßen zu Mantua machte, das
Volk in Mailand auf und der Ritter Erlembald, von Rom mit Bannbulle
und einer Fahne ausgerüstet, trat an die Spitze desselben. Zwar musten die
Patarener ans den Thoren weichen und Ariald, der durch Neuerungen im
Ritus den Zorn der Bürger sich zugezogen hatte, ward sogar erschlagen, doch
Erlembald drang mit Geworbnen vom Laude wieder in die Stadt und zwang
den Priestern alles auf, was Rom befahl. Dasselbe geschah durch die Pataria
in Cremona und Piacenza. Weil indes solche Vorgänge nur die Hartnäckig-
keit in den Gegnern zu bestärken geeignet waren, ward von Rom das Ent-
gegenkommen • beg Erzbischofs von Mailand angenommen und mit gleicher
Strenge, wie Simonie und Priesterehe, Vereine und Gewaltthaten gegen die
Priester verboten^). Noch viel lebhafter wurde der Wunsch, daß Heinrich Iv
nach Italien ziehen möchte, als Richard von Kapua 1066 die dem römi-
schen Stuhl gehörigen Landschaften angriff und bis vor die Thore Roms
schwärmte. Trotz des Eifers, mit dem Alle die Zurüstungen bis 1067
betrieben hatten, ward der Römerzug abermals aufgegeben, weil Herzog
G ottfrid, um den König in Italien keine Macht gewinnen zu laßen, eigen-
mächtig vorausgegangen war und am Garigliano nach kurzem, wenig ernst
gemeintem Kampf mit Richard den Frieden dahin abgeschloßen hatte, daß
der Stuhl Petri die Besitzungen in der Campagna zurückerhielt h. Hilde-
brands Klugheit gelang übrigens die Beseitigung der von dieser Seite drohen-
den Gefahr, indem er einerseits die Normannenfürsten auf Zusammenkünften
zu Kapua und in Melfi zur Erneuerung des frühern Lehnsverhältnisses
bewog7), andrerseits ihnen durch die Furcht vor den Fürsten von Salerno und
Benevent und vor Aufständen ihrer eignen Vassallen den Schutz des Papstes 1
1) Floto I 251—53. Giesebr. Iii 98—104. — 2) Giesebr. Iii 253. — 3) Petrus
Danriaui und seine Gesinnnngsgenoßen drangen fortwärend darauf. Giesebr. Iii
109 fs. — 4) Adalberts Verhalten beim Kirchenstreit ist sonst stetes Schwanken. Daß
hier ein Einverständnis mit Hildebrand stattgefnnden, wird durch die Zugeständnisse,
die er von Rom für Bremen erhielt, bewiesen. Giesebr. Iii 111 —15. — 5) Floto I
272 — 77. Giesebr. Iii 176 — 78. — 6) Floto I 267 — 69. 334. Giesebr. Iii 135 f.
177 f. — 7) Gieseb. Iii 178.
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Extrahierte Personennamen: Gregor Alexander_Ii Alexander Gottfrids_Einfluß Hildebrands_Wünschen Hugo_der_Weiße Guido_von_Mailand Heinrich_von
Ravenna Heinrich Heinrich_Iv Heinrich Richard_von_Kapua Petrus
Danriaui
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Mantua Mailand Ritter_Erlembald Rom Rom Cremona Piacenza Rom Mailand Italien Roms Italien Garigliano Melfi Salerno Adalberts Rom Bremen
Gregor Vii 1073 — 85.
233
in welcher die Pataria Italiens ihre wichtigsten Elemente gefunden hatte').
Heinrich Iv selbst war auch in kirchlicher Hinsicht in den Fußtapfen seines
Vaters zu wandeln, daher auch von seinem Recht nichts aufzugeben eut-
schloßen. Von tieferer Religiosität hatte er durch seine Fügsamkeit unter das
Verbot der Ehescheidung Zeugnis gegeben, und eben so bewies er sich gegen
die Forderungen Noms stets nachgiebig, wo es offenkundiger Simonie zu
steuern galg). Wie er sich darin täuschte, daß er für Nachgiebigkeit gleiches
von Hildebrand hoffte, so scheint dieser ihn für schwächer angesehen zu haben,
als er sich später erwies"). Hätte er nicht auf Fügsamkeit gehofft, er würde
wol, als Gottfried die Investitur vom König empfangen und trotz der Pataria
in Mailand steigenden Anhang gewonnen hatte, sich nicht mit der Bannung
der königlichen Räte begnügt haben H. Doch für alle Fälle zu den größten
Hoffnnngen berechtigte ihn die Blindheit der Selbstsucht, welche die deutschen
Fürsten nicht sehen ließ, wie sie des Vaterlands Ehre und ihre eigne Freiheit
verkauften, wenn sie nur die unbequeme Kaisermacht niederdrückten. Die
Zeit war da, wo Hildebrand selbst, aber auch kein anderer sonst dem begonnenen
Neubau den Schlußstein zufügen konnte.
8. Als Alexander Ii 21. Apr. 1073 gestorben war, wagte der
römische Adel nicht Haupt und Hand zu regen, das Volk aber war für Hilde-
brand begeistert, weil es denselben, seine Ziele nicht verstehend, als den
Neugründer des Glanzes und der Ehre seiner Stadt ansah. Bei der Bestat-
tung Alexanders erhob sich der Ruf, Hildebrand solle Papst sein. Hugo der
Weiße schnitt durch eine Ansprache jenem den Widerspruch ab und er sah in
des Volkes Einmütigkeit Gottes Berufung. Was kümmerte ihn dann, daß das
von ihm selbst erlaßne Wahldeeret nur durch Umdrehung des Sachverhalts als
beobachtet bezeichnet werden konnte")? Mit dem festen Entschluß, für das,
was er als Recht und Pflicht erkannt, den äußersten Kampf zu wagen"),
bestieg er unter dem bei der Wahl ihm erteilten Namen Gregor Vii den
päpstlichen Stuhl (geweiht 29. Jun.). Hätte Heinrich Iv nicht zu fürchten
gehabt, ein gleichzeitiger kirchlicher Kampf werde sein Obsiegen über den
Widerstand gegen seine Macht in Deutschland erschweren, ja ganz unmöglich
machen, er würde nicht Eingreifen gegen die abermals sein Recht verletzende
Wahl unterlaßen habeio). Unermüdliche Thätigkeit und unerschütterliche
Festigkeit^) bewies Gregor Vii sofort den ihn umdrängenden Schwierigkeiten
gegenüber. Indem er durch ein Vassallenheer, dem sich der Stadtpräfect
Ceucius anschloß, die zum Patrimonium Petri gehörenden Landschaften
innerhalb weniger Monatein seine Gewalt brachte"), geriet er mit den Nor-
mannen, die von jenem sich manches angeeignet hatten, in ernsten Streit.
No b ert G uiscard setzte der Einladung zurlehensreichung in Benevent die 1
1) Giesebr. Iii 228. — 2) S. die Fälle bei Floto I 271. Giesebr. Ui 223 f. —
3) Floto I 326 — 34. Giesebr. Iii 229. — 4) Floto Ii 8. Giesebr. Iii 226. —
51 Floto Ii 1 ff. Giesebr. Ii! 230—35. — 6) Seine Äußerungen bei Floto Ii 5—7.
Giesebr. Iii 233 --35. — 7) Giesebr. Iii 234. Nicht zu leugnen ist, daß Gregor
Heinrich Iii versprochen habet bei seinen nnb seines Sohnes Lebzeiten wolle er nicht
selbst beit päpstlichen Stuhl einnehmen (Floto l 178 m. Sinnt. Giesebr. Ii 510).
Doch ist jedenfalls, was nur für den damaligen Moment galt, zur Gültigkeit für-
alle Zeit ausgedehnt worden. Eben so wenig jedoch können sich Gregors Vii Anhän-
ger auf die angebliche Anwesenheit des königlichen Kanzlers, des Bischofs Gregor
von Vercelli, bei dem Weihact als airf einen Beweis für die Anerkennung durch
Heinrich Iv berufen. Floto Ii 6. Giesebr. Iii 235. — 8) Was man von ihm
erwartete, s. Floto Ii 4. Giesebr. Iii 235. — 9) Giesebr. Iii 236. Jmola bot dabei
Anlaß zu Streit mit Wibert von Ravenna.
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Extrahierte Personennamen: Gregor Heinrich_Iv Heinrich Gottfried Alexander_Ii Alexander Alexanders Hugo_der
Weiße Gregor_Vii Gregor Heinrich_Iv Heinrich Gregor_Vii Gregor Ceucius Gregor
Heinrich_Iii Gregor Heinrich Gregors Gregor
von_Vercelli Gregor Heinrich_Iv Heinrich Giesebr Jmola
Extrahierte Ortsnamen: Italiens Mailand Alexanders Gottes Deutschland Patrimonium_Petri Gregors Ravenna